Friederike und Lore

Loretts und mein Weg trafen 2007 im Reitverein zusammen, in dem ich damals geritten bin und für den sie als Schulpony gekauft worden war. Eine unglaublich hübsche, schwarzbraune Stute mit weißer Flocke, schlankem Kopf und großen, freundlichen, aber traurigen Augen, in denen ein unbeugsamer Geist zu erkennen war. Bereits seit acht Jahren Schulpferd gewesen, sollte Lorett nun den Kindern in Birkenau das Reiten beibringen. Doch der Stolz, den das kleine Pony nach außen trug, ging mit einer Unnahbarkeit und einem starken Willen einher.

 

Lorett zeigte ein – über die letzten Jahre perfektioniertes – Verhalten der Verweigerung. „Ihr kriegt mich nicht klein“, war das, was sie – wann immer nur möglich – deutlich machte. Nicht etwa auf bösartige oder für den Reiter gefährliche Art und Weise, dafür aber viel ernüchternder und nahezu deprimierend. Die kleine Stute ignorierte schlichtweg jede gegebene Hilfe. Es kam nicht selten vor, dass sie sich während einer gesamten Reitstunde nicht von der Mittellinie fort bewegte. Auf Schenkelhilfen trat sie sich an den Bauch, auf Gertenhilfe buckelte sie mit Enthusiasmus, tat man gar nichts, stand auch sie still. Perfekte Erziehung des Reiters. Wenn man Glück hatte, wählte Sie sich einen anderen Pferdepopo aus, dem sie die gesamte Stunde hinterher lief. Von diesem kam man zwar nicht mehr weg, sodass autonomes Reiten unmöglich war, aber so kam man wenigstens überhaupt in Bewegung.

 

Als Kinderpony und Longenpony jedoch geeignet, blieb sie drei Jahre und ich (da nicht minder dickköpfig), war von ihrem Charakter fasziniert und durfte sie als Pflegepony haben. Im Rahmen meiner Möglichkeiten und mit meinem damaligen Wissen bzw. Nichtwissen habe ich sie longiert, Führtraining oder Freilauf gemacht – alles mehr oder weniger erfolgreich – aber ich wurde nicht müde mir Wissen anzulesen und zu versuchen dieses umzusetzen. Das Reiten klappte eigentlich nie (und ich ritt sie in nahezu jeder Reitstunde, weil kein anderer sie haben wollte)und trotzdem fand ich das Pony auf unerfindlichen Gründen klasse. Damit war ich leider fast die Einzige, sodass Lorett Ende 2009 zum Verkauf stand. Ein halbes Jahr lang sprangen alle Interessenten immer wieder ab (wundert es jemanden?) und ein halbes Jahr lang führte ich hitzige und tränenreiche Diskussionen mit meinen Eltern. Im Juni 2010, das Pony war 14 (und 10 Jahren lang nur Schulpferd) und ich 15,5 Jahre alt, ließen sich meine Eltern überreden und die Kleine wechselte in unseren Besitz.

 

Wir zogen also (ich stolz wie Bolle) um auf einen kleinen Hof, 24-Stunden-Koppel. Mein Pferd war begeistert, gab‘s noch nie, wollten wir auch nicht mehr hergeben. Die Folge war, dass ich grundsätzlich eine Stunde Einfangzeit einplanen musste. War das geschafft, entschied Ponytier auch gerne mal auf dem Weg zum Putzplatz spontan, keinen Schritt mehr weiter gehen zu wollen und es rammte sämtliche Hufe in die Erde. Ein anderes, ganz lustiges Spiel war auch „Ich geh nicht näher als drei Meter an den Anbindering“. All das nahm ich mehr oder weniger gelassen hin (im Nachhinein undenkbar), denn, das arme Tier hat halt kein Selbstbewusstsein und hat einfach vor allem Angst. (Dass ich nicht lache!) Mein Tier wurde betüddelt und immer mit gaaaanz vielen ruhigen Worten besänftigt, wenn es sich vor irgendetwas erschreckte (merkt ihr die Fehler?).

 

Unter dem Reiter lief Pony mit der Zeit vorwärts, aber nur mit Kopf in der Luft und ganze Bahn. Und auch nicht in die Ecke unten links. Und oben rechts auch nicht. Na gut, eigentlich war es mehr ein Mittelzirkel mit Beulen. Aber das Tier lief! War für mich ein Erfolg… Pony lief zumindest dann, wenn sie nicht gerade einen Anfall von „Ich habe keine Lust“ hatte und Buckel-Attacken waren immer noch jedes Mal zu finden, sobald sich unsere Meinungen unterschieden. Mit meiner Reitlehrerin wurde nach FN dran gearbeitet (ich kannte nichts anderes), und im Frühjahr/Sommer 2011 lief Pony auch einigermaßen gut in den Grundgangarten, zumindest, was den Gehorsam angeht, ausbalanciert war da nichts.

Im Winter konnten wir dank Wetterverhältnissen nicht richtig arbeiten und im Frühjahr 2012 hörte meine Reitlehrerin auf zu unterrichten und ich war bis Juni mit meinem Abitur beschäftigt.

Pony war mittlerweile mehr oder weniger gut zu reiten, der fehlende Unterricht machte sich bemerkbar und ich fand keinen Lehrerersatz. Dafür lief sie an Longe, Doppellonge und frei recht schön.

 

Erziehungstechnisch hatte ich schon bald gemerkt, dass ich mit „duzi duzi“ auf dem Holzweg war. Diverse Anstalten, Sprünge und Kapriolen am anderen Ende des Führstricks ignorierte ich schlicht. Damit wurde es zwar nichts besser, aber immerhin schonte ich mit diesem gleichgültigen Umgang meine Nerven. Unsere Ausritte bestanden aus Schritt und Renngalopp, beides am kurzen Zügel. Vorausreiten ging gar nicht. Ich beschloss, mich damit abzufinden und mich nicht mehr aufzuregen. War eben 10 Jahre Schulpferd, kann man nichts machen.

 

Dann kam im April 2013 unser Umzug auf den Wolfsgarten. Unser Neuanfang.

 

Lorett war gesundheitlich nicht gut drauf, weshalb wir eine lange Reitpause gehabt hatten (ca. November bis April). Die verschiedensten Leute, die davon gehört hatten, dass ich auf den Wolfsgarten ziehe, warfen mir alle einen Namen an den Kopf (Na, könnt ihr euch denken welchen?) und nach ein paar Tagen bekam ich unser Sonnenscheinchen dann zu Gesicht. Christinas Lächeln strahlte eine solche Ruhe und Freundlichkeit aus und ihre gesamte Ausstrahlung machte deutlich, sie hatte einen Plan! Glaubt mir, sie war sofort meine Herdenführerin!

 

Dann kam die erste Stunde. Pony war wie immer skeptisch, aber ich hochmotiviert. Und was soll ich sagen, nach wenigen Minuten fand mein Pony Christina auch voll klasse und ich war definitiv abgeschrieben. Ich konnte mich nicht so richtig entscheiden, ob ich deprimiert oder fasziniert sein sollte, entschied mich aber für Letzteres, was eindeutig die angenehmere Option war

 

Die vier Qualitäten eines Pferdemenschen - Focus, Feeling, Timing, Balance leuchteten mir ein und waren durchaus verständlich … in der Umsetzung jedoch diffizil. Aber das kam und kommt (in Christinas Worten und wie von ihr prophezeit) mit den Kilometern.

 

Lori fand‘s voll spitze. Endlich sprach ich mal so, dass sie mich auch verstand. Wenn es mit Knoti in die Halle ging, war Pony voll dabei und was unglaublich wichtig und hilfreich war: Klappte etwas nicht, schaukelten wir uns nicht mehr gegenseitig hoch, bis wir beide am durchdrehen waren, wie es früher immer der Fall gewesen war, sondern wir erarbeiteten es einfach in der nächsten Stunde mit Christina. Ich stellte keine Fragen mehr ohne eine Antwort zu bekommen und schon bald war völlig klar, dass das gemacht wurde, was ich sage, denn Dank Christina hatte ich ja nun einen Plan und Pony sah keinen Sinn mehr, unnötig Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

 

 

Letzten Dezember haben wir dann mit der Kappzaumarbeit begonnen. Nahezu ehrfürchtig hielt ich das *Etwas mit Ringen* in den Händen und bastelte es an Pönys Schädelchen. Lori fand‘s lustig und als es damit dann auch noch zu Christina in die Halle ging, war es gleich positiv gestimmt und hochmotiviert. 

 

Und dann wurde geschwankt und gestellt und gebogen und rotiert. Hätten wir das NHS nicht zuvor so praktiziert, wäre eine solche entspannte Arbeit nie möglich gewesen, noch vor einem halben Jahr war Kopf senken undenkbar. Und jetzt? Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass mein lustloses, steifes Pony im Trab durch die Halle traversieren würde und Galopp-Stand-Übergänge lernen würde hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt (ja ok, ich habChristina einen Vogel gezeigt) und heute scheint nichts mehr wirklich unerreichbar, wenn man sich die Geduld und Zeit nimmt alles Step by Step zu machen. Mein Pony freut sich auf die Arbeit, hat Muskeln bekommen von denen ich nicht wusste, dass sie existieren und das komplette Gangbild hat sich verändert! Und ich spüre ihre Zufriedenheit und ihr Vertrauen und ihre Dankbarkeit. Im Gelände erschreckt uns nahezu nichts mehr, wir stapfen auch furchtlos vorneweg wenn andere zögern und sie hört mir immer –ob unterm Sattel oder vom Boden aus– so aufmerksam zu, dass Finger wackeln und Spannungsveränderungen im Körper ausreichen, damit Lori umsetzt was ich von ihr will.  Und das Pony, das sich jahrelang nur ungerne hat den Kopf putzen lassen, kommt wann immer möglich her, legt die Stirn gegen meinen Bauch und schnaubt zufrieden ab, wenn ich die Ohren streichle. Das ist das schönste Geschenk, das man mir je hätte machen können.

 

Liebe Christina,

 

bald bin ich ein Jahr unter deinen Fittichen. In diesem Jahr habe ich so unglaublich viel Neues gelernt und du hast mir geholfen vieles umzusetzen, was ich in der Theorie wusste und in der Praxis nie anwenden konnte. Durch dich sind Lori und ich ein richtiges Team geworden. Auf mich wartet nicht mehr mein Pony, sondern meine beste Freundin wenn ich auf die Koppel komme. Deiner Ruhe und Sicherheit haben wir es zu verdanken, dass wir jetzt da sind, wo wir sind ohne auch nur einmal an uns zu zweifeln, weil du ohne zu zögern von Beginn an uns geglaubt hast! Dein Optimismus und dein Sonnenscheinlächeln hat uns dazu gebracht immer unser Bestes aus uns herauszuholen und jede Schwierigkeit in ganz kleinen Schritten anzupacken und zu bewältigen. Du bist definitiv die beste Leitstute, die ich kenne ;-D

Aber auch außerreiterlich habe ich sehr viel gelernt. Die kleinen Dinge, die gut waren zu beachten und große Dinge, die schief laufen einfach zu übersehen, bis wieder was kleines Gutes dabei ist. Das hat mir in meiner gesamten Lebenseinstellung geholfen. Ich habe selten jemanden getroffen, der so inspirierend ist, wie du es bist.

 

Danke, dass du dir sämtliche Hirngespinste meinerseits anhörst und mir was vorgaloppierst, nur damit ich die Fußfolge in den Übergängen verstehe. Danke, dass du jede Frage geduldig beantwortest und jeden Fehler verzeihst. Danke, dass du keinerlei Erwartungen hast, sondern nur so schnell voran gehst, wie wir problemlos folgen können. Danke, dass ich immer wieder „Pferd sein darf“ um zu verstehen, was ich eigentlich von meinem Pony möchte. Danke, dass du an uns glaubst!

Ich freue mich darauf weiter gemeinsam mit dir durch die Halle oder über den Hof zu „galoppieren“ (wie war das mit den Piaff-Galopp-Übergängen Arm in Arm?! :-D) und mit dir Loris und meinen weiteren Weg zu gehen.

Ich habe mein Bild immer vor Augen!

 

Deine Friedi

 

 

Liebe Lorett,

 

Danke, dass du mich schon damals so fasziniert hast und ein so tolles Pflegepony warst. Auch unsere ersten gemeinsamen Jahre, die teilweise alles andere als leicht waren, möchte ich nicht missen, denn sie haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind.

Danke,  dass du mir deutlich gezeigt hast, was du brauchst und was gut für dich ist und mich so auf diesen Weg gebracht hast.

Danke, dass du mir jetzt endlich dein Vertrauen schenkst und die Liebe zurückgibst, die ich dir versucht habe zu geben. Du bist eines der aufrichtigsten Ponys, die ich kenne und zu meiner besten Freundin geworden. Danke für jede Minute, die wir zusammen verbringen. Ich lerne in jeder einzelnen so unglaublich viel durch dich, wie ich durch keinen Menschen lernen könnte.

Ich habe dich unglaublich lieb und werde alles tun, damit es dir gut geht und dich nie alleine lassen!

 

Deine Friedi